Montags und dienstags gehört Vati mir
Montags und dienstags gehört Vati mir
Stand: 14.02.2024 | Lesedauer: 6 Minuten
Von Mareike Knoke
Nur wenige Männer arbeiten in Teilzeit, obwohl gerade viele junge Väter das gern tun würden. Einige Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitern das mit kreativen Modellen. Damit haben sie einen entscheidenden Vorteil im Kampf um Fachkräfte.
Wenn Julio Schuback mit seinem vierjährigen Sohn zum Kinderarzt geht, ist er oft der einzige Vater unter vielen Müttern im Wartezimmer. Schuback ist Führungskraft mit Personalverantwortung für ein großes Team im Bereich Kommunikation
bei Audi in Ingolstadt und arbeitet in Teilzeit.
Montags und dienstags ist er „out of office“, freut sich, dass er mehr Zeit für sein Kind hat und übernimmt dann von Fall zu Fall auch die Kinderarztbesuche. Schubacks Teilzeitarbeit wiederum hat seiner Frau den Wiedereinstieg in ihren Job nach ihrer Elternzeit erleichtert.
In Deutschland arbeitet jede zweite erwerbstätige Frau in Teilzeit, aber nur jeder achte erwerbstätige Mann. Laut einer Prognos-Studie würden aber etwa 40 Prozent der befragten Männer gern in Teilzeit arbeiten. Männer – das zeigt etwa der Sozialbericht Datenreport 2021 – sind in einer Partnerschaft noch immer mehrheitlich die Fulltime-Arbeitenden und Mehrund Hauptverdiener.
Dieses Modell wird in vielen Familien aber oft nicht aus tiefster Überzeugung gelebt, sondern weil es die jeweilige Jobsituation nicht anders erlaubt. Noch immer gibt es Arbeitgeber, die es nicht gern sehen und unwillig reagieren, wenn ihre männlichen Fach- und Führungskräfte ebenso selbstverständlich eine längere Elternzeit nehmen wollen wie Frauen.
Das Bild vom Haupternährer Mann ist in vielen Chefetagen offenbar noch fest verankert. Zum Glück aber nicht in allen, wie das Beispiel Julio Schuback zeigt. „Ich möchte keiner von den Vätern sein, die ihr Kind nur abends kurz vorm Zubettgehen sehen“, sagt Schuback.
Deshalb teilt sich der 43-Jährige seinen Managementjob in einem sogenannten „SharedLeadership-Tandem“ mit einer Kollegin, die etwa zur gleichen Zeit wie Schubacks Frau Mutter wurde. Die beiden Führungskräfte kümmern sich gemeinsam um die Leitungsaufgabe und arbeiten je 70 Prozent. „Mittwochs arbeiten wir beide, nehmen aber nur wenige Termine gemeinsam wahr. Das funktioniert sehr gut“, sagt Schuback. Denn Übergaben laufen dank digitaler Arbeitsmittel problemlos.
„Möglich war das alles, weil unser Vorgesetzter uns darin voll unterstützt hat und Audi die Voraussetzungen für solche Modelle schafft“, sagt Schuback. Druck, die Teilzeit auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen, werde nicht ausgeübt. Im Gegenteil: Er und andere teilzeitarbeitende Männer werden von der 2016 eingerichteten Unternehmensabteilung „Diversity & Inclusion“ ausdrücklich ermuntert, bei internen Veranstaltungen von ihren Erfahrungen zu berichten und andere Männer zu ermutigen, die ein solches Arbeitsmodell vielleicht ebenfalls in Betracht ziehen. Laut der Prognos-Umfrage haben 450.000 Väter in Deutschland schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit von Job und Familie gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach. Diese hohe Wechselbereitschaft, wenn der Arbeitgeber sich bei dem Wunsch nach Teilzeit oder längerer Elternzeit querstellt, ist gerade in den Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Risiko für die Unternehmen.
Unter anderem deshalb ermöglichen inzwischen etliche von ihnen mehr Job-Sharing oder andere Teilzeitmodelle, großzügige Homeoffice-Optionen oder die Möglichkeit, statt einer Gehaltserhöhung mehr Urlaubstage zu bekommen. Sie richten Info-Portale für Eltern im Unternehmen ein und bieten Onlineseminare und -workshops für Mitarbeiter in der Elternzeit an, damit diese auch während einer längeren Auszeit up-to-date bleiben können. Viele Angebote stehen natürlich auch Mitarbeitern offen, die keine Kinder haben und aus anderen Gründen ihre Arbeitszeit reduzieren möchten.
Unternehmen überschätzen ihre Väterfreundlichkeit
Rund ein Viertel der von Prognos befragten 750 Unternehmen sind Vorreiter in Sachen Väterfreundlichkeit, 15 Prozent sind kaum väterfreundlich. Der Rest liegt irgendwo dazwischen „Die Unternehmen verbindet, dass sie insgesamt ihre Väterfreundlichkeit noch
überschätzen“, sagt der Projektleiter der Studie, David Juncke.
63 Prozent halten sich laut der Umfrage für sehr väterfreundlich, doch nur 38 Prozent der Väter schätzen ihren Arbeitgeber so ein. „Während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen ihre Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgeweitet,
teilweise haben sich daraus auch für Väter langfristige Verbesserungen ergeben“, so Juncke.
Aber es sei noch Luft nach oben. „Väterfreundlichkeit sollte idealerweise ein Bestandteil der Unternehmenskultur sein.“ Es sei Aufgabe der Führungskräfte, für ein offenes Klima in ihrer Abteilung zu sorgen.
Der ebenfalls von Juncke verantwortete „Väterreport 2023“ zeigt: Jeder zweite Vater (55 Prozent) findet, dass kleine Kinder genauso gut von ihrem Vater betreut werden können wie von ihrer Mutter. Und: Der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen und dabei Elterngeld beziehen, steigt stetig an: Während 2008 nur 21 Prozent der Väter Elterngeld bezogen, ist der Anteil bei den 2020 geborenen Kindern auf knapp 44 Prozent gestiegen.
Die Männer der Generationen Y und Z wollen offenbar vieles anders machen als ihre Väter. Das beobachtet auch Claudia Musso vom Familienservice-Team des Gleichstellungsbüros der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Musso und ihre Kollegen bieten regelmäßig Seminare für Väter und werdende Väter an der Universität an.
„Vor zehn Jahren gab es hier und da Veranstaltungen, die mangels Teilnehmern abgesagt werden mussten“, sagt sie. Das passiere heute deutlich seltener, das Interesse habe erkennbar zugenommen. „Interessant finde ich, dass an Infoveranstaltungen auch Studenten teilnehmen, die noch keine werdenden Väter sind oder teils aktuell gar keine feste Beziehung haben. Rein aus Interesse. Vor 20 Jahren hätte es das so sicherlich noch nicht gegeben.“
Interne Väternetzwerke helfen beim Austausch
Den Wunsch, sich unter Vätern auszutauschen, bilden auch die in den vergangenen Jahren von Mitarbeitern gegründeten internen Väter- und Elternnetzwerke in großen Unternehmen ab. Seit einiger Zeit schon gibt es bei Audi „dads@Audi“, das Vätern aus allen Bereichen des Unternehmens offensteht.
Es geht um gegenseitige Bestärkung und um Fragen wie etwa: Wie war das für euch als Paar, als die Kinder kamen? Hattet ihr im Unternehmen Probleme mit einer längeren Elternzeit? Wie kommt ihr als alleinerziehende Väter im Alltag klar?
„Dads@Audi dient auch als Spiegel zurück ins Unternehmen. Bei Treffen mit der Unternehmensleitung bietet sich die Chance, intensiv miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagt Antonia Wadée aus der Abteilung „Diversty&Inclucsion“. Für ihre Abteilung sei es dadurch einfacher, die sich wandelnden Bedürfnisse der Mitarbeiter zu verstehen.
Den Anstoß für diese Initiativen kam von Volker Baisch, Gründer von „conpadres“. Baisch startete sein Unternehmen zunächst als Beratung für Väter. 2005 führte er im Auftrag des Hamburger Senats eine der ersten qualitativen und quantitativen Erhebungen über Väter in der Arbeitswelt durch. Sein Team befragte unter anderem Väter bei Airbus nach ihrem Berufsalltag und nach ihren Wünschen.
„Die Unternehmensleitung bei Airbus bekam einen gehörigen Schreck, weil herauskam, dass so viele Väter gern Elternzeit, auch längere Elternzeit, nehmen würden“, erinnert sich Baisch. Heute berät er Unternehmen, wie sie bessere familien- und väterfreundliche
Strukturen schaffen können. Viele Konzerne wie Audi, Bayer, Beiersdorf oder Johnson & Johnson gehören mittlerweile zum „conpadres“-Netzwerk.
Das Pharmaunternehmen Johnson & Johnson etwa bietet in der Elternzeit mit „Global Parental Leave Policy“ einen finanziellen Vorteil an: Zwölf Wochen lang stockt das Unternehmen das Elterngeld auf, sodass der Mitarbeiter während dieser Zeit keine
Gehaltseinbußen hat.
Nur jeder zehnte Vater nimmt mehr als zwei Monate Elternzeit
Das Angebot richtet sich an alle Mitarbeiter weltweit. Da jedoch die meisten Frauen ohnehin deutlich länger in Elternzeit gehen als ihre Partner – l ()aut einer Erhebung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung nimmt nur jeder zehnte Vater länger als zwei
Monate Elternzeit – kann dieses Modell speziell für Männer ein Anreiz sein, länger zu Hause zu bleiben.
Moritz Dietel, Vater einer inzwischen eineinhalbjährigen Tochter, hat von dem Angebot Gebrauch gemacht. Der Jurist leitet die Rechtsabteilung des Unternehmensbereichs Medizintechnik und findet: „Die drei Monate waren sehr wichtig für unsere Vater-KindBeziehung.
Vor allem habe ihm der Alltag alleine zu Hause mit Kind sehr deutlich vor Augen geführt, wie intensiv die Kinderbetreuung ist. „Schön und herausfordernd zugleich, deswegen werde ich mich nun auch weiterhin verstärkt einbringen.“
Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/plus250028862/Arbeitgeber-Wie-Unternehmen-junge-Vaeter-umgarnen.html