Wer in Deutschland lebt und ein Kind bekommt, bekommt mindestens ein Jahr lang Elterngeld. Es bietet viele Möglichkeiten -wenn man die richtigen Kniffe kennt.
In den USA müssen viele Mütter schon wenige Wochen nach der Geburt ihres Babys wieder am Schreibtisch sitzen. In der Schweiz gilt es als Errungenschaft, dass jungen Vätern neuerdings zwei Wochen zusätzlicher bezahlter Urlaub zustehen. Verglichen damit haben es Eltern in Deutschlandziemlich gut: Der Staat entlohnt sie in der Basis-Variante des Elterngeldes bis zu 14 Monate lang mit maximal 1800 Euro monatlich dafür, dass siehauptberuflich ihr Kind wickeln, füttern und bespaßen. „Das Elterngeld ist eine tolle Sache“, sagt Verena Dias, die Frauen und Männer zu Fragen rund um Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wiedereinstieg und Elternzeit berät. „Nur leider ist es ziemlich kompliziert.“ Zu Dias kommen regelmäßig (werdende) Mütter und Väter, die Elternzeit mit Elterngeld verwechseln, an seitenlangen Anträgen verzweifeln oder nicht wissen, ob und wie viel sie hinzuverdienen dürfen. Das wichtigste Grundwissen zum Thema finden Interessierte beispielsweise im Familienportal des Bundesfamilienministeriums. Was man auf den offiziellen Seiten weniger findet, sind die kleinen Kniffe, mit denen sich möglichst viel Elterngeld herausholen lässt. Eine Anleitung.
Mit der Familienplanung sollte die Rechnerei schonlosgehen.
Nicht jedes Baby kündigt sich erwartet an oder lässt sich planen. Spielt ein Paar mit dem Gedanken, eine Familie zu gründen, sollten die angehenden Eltern trotzdem nach einer Gehaltserhöhung fragen. Denn schon die Monate vor Beginn der Schwangerschaft entscheiden zumindest teilweise dar-über, wie hoch das Elterngeld später ausfällt. Bei angestellten Müttern gelten als sogenannter Bemessungszeitraum in der Regel die zwölf Monate vor dem Monat, in dem der Mutterschutz begonnen hat. Bei angestellten Vätern und verbeamteten Müttern und Vätern, die allesamt keinen Mutterschutz erhalten, werden die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt herangezogen. „Dabei werden Einmalzahlungen wie Boni oder Weihnachtsgeld nicht berücksichtigt, monatliche Ex-tra-Zahlungen aber schon“, sagt Verena Dias.
Bei selbständigen Eltern wiederum ist der Gewinn im letzten abgeschlossenen Kalenderjahr vor der Geburt für die Höhe des Elterngeldes entscheidend. Soll das Baby im November 2022 zur Welt kommen, würde sich das Elterngeld also nach den Einkünften zwischen Januar und Dezember 2021errechnen. „Wer selbständig ist, sollte schon bei einem konkreten Kinder-wunsch möglichst viele Rechnungen schreiben und größere Ausgaben verschieben, um einen hohen Gewinn zu erzielen“, rät Dias.
In der Schwangerschaft lohnt sich ein Gang zum Finanzamt
Das Elternteil, das nach der Geburt länger zu Hause bleibt, erhält in vielen Fällen deutlich mehr Elterngeld, wenn er oder sie in Steuerklasse III wechselt. Das klappt allerdings nur, wenn man im Bemessungszeitraum überwiegend in der neuen Steuerklasse war. „Deshalb sollte man das schon kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest angehen“, rät Dias.
Alternativ kann man die Steuerklasse auch schon wechseln, wenn ein Kinderwunsch besteht. Für das andere Elternteil geht die neue Steuerklasse des Partners mit weniger Elterngeld und mit einem geringeren monatlichen Nettogehalt einher. Letzteres lässt sich allerdings durch den Lohnsteuerjahresausgleich wieder reinholen. Wichtig zu wissen: Für Mütter oder Väter, die den Elterngeld-Höchstsatz erhalten, lohnt sich der Wechsel nicht.
Positiv aufs Elterngeld wirkt sich ein Nebenjob aus, und zwar vor oder während der Schwangerschaft zusätzlich zur regulären Arbeit. Natürlich vor-ausgesetzt, Zeit und Gesundheit lassen das zu.
Nach der Geburt – jetzt muss es schnell gehen
Nach der Geburt haben Mütter und Väter drei Monate Zeit, Elterngeld rück-wirkend ab dem ersten Lebensmonat zu beziehen. „Wer diese Frist verpasst, bekommt zwar kein Geld mehr für den ersten Lebensmonat, kann es für die darauffolgenden Monate aber weiterhin beantragen“, sagt Martina Kämmerer, die in Poing bei München junge Eltern rund ums Elterngeld berät. Habe man während der Schwangerschaft etwa einen zusätzlichen Minijob gehabt, müsse man das unbedingt angeben und nachweisen können.
Beim Wiedereinstieg sollte man über ein neues Modellnachdenken
Seit acht Jahren haben Mütter und Väter die Möglichkeit, anstelle und ergänzend zum Basis-Elterngeld auch das Elterngeld Plus zu beziehen. Es richtet sich vor allem an Eltern, die vergleichsweise schnell, aber zu nächst in Teilzeit in den Beruf zurückkehren möchten. Denn in der Basis-Variante wird das erzielte Einkommen ab dem ersten Euro aufs Elterngeld angerechnet. Finanziell hat man also nichts davon, wieder zu arbeiten.
Wechselt man hingegen ins Plus-Modell, kann man bis zu 50 Prozent des Nettogehalts (oder korrekt: des Elterngeld-Nettos, einer Zahl, die aus dem Bruttogehalt errechnet wird und dem Nettogehalt ähnelt) ohne Abzüge hin-zuverdienen. Für Besserverdienende gilt diese Regelung nicht. Der Gesetz-geber hat hier das Elterngeld-Netto auf 2770 Euro gedeckelt. Eltern müssen deswegen schon bei einem geringeren Einkommen mit Abzügen rechnen.
Und dennoch: „Für Mütter und Väter, die arbeiten möchten, während sie Elterngeld beziehen, lohnt sich Elterngeld Plus in den allermeisten Fällen“, sagt Martina Kämmerer. Die gelernte Bankkauffrau habe selbst einst 3000Euro zurückzahlen müssen, weil sie es verpasst hatte, vom Basis-Elterngeld ins Elterngeld Plus zu wechseln.
Für alle Eltern, die kurz nach der Geburt oder während des Wiedereinstiegs noch nicht wissen, ob, wann und wie viel sie im ersten Jahr wieder arbeiten möchten, hat sie eine gute Nachricht: „Man kann jederzeit von einem Modell ins andere wechseln.“ Die zuständige Elterngeld-Stelle, in Bayern etwa das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), brauche lediglich ein bis zwei Wochen vorher Bescheid, sagt Kämmerer.
Beim nächsten Kind gibt es wieder ein paar Kniffe
Sobald Paare den Entschluss fassen, ein weiteres Kind bekommen zu wollen, stellt sich aufs Neue die Frage, wie sie das meiste aus dem Elterngeldherausholen können. Allerdings ist diesmal insbesondere für Mütter die Ausgangsposition eine schlechtere: Viele Frauen verdienen in dem Zeit-raum, der für die Höhe des Elterngeldes entscheidend ist, deutlich weniger als vor ihrer ersten Elternzeit. Zum Beispiel, weil sie zunächst gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten. Im schlimmsten Fall kommen anstelle von 1800Euro beim ersten Kind nur noch 300 Euro beim zweiten herum. „Das treibt viele Familien um und betrifft bei mir ungefähr jede zweite Beratung“, sagt Dias.
Zwar errechnet sich das Elterngeld für jüngere Geschwister prinzipiell genauso wie beim ersten Kind. Allerdings haben Eltern die Möglichkeit, einzelne Monate aus dem Bemessungszeitraum für das zweite Kind auszuklammern, wenn sie in dieser Phase noch Elterngeld für das erste Kind er-halten haben. Das gilt allerdings nur für den Zeitraum innerhalb der ersten14 Lebensmonate des ersten oder vorherigen Kindes. Diese Monate können sie „auffüllen“ mit Monaten aus der Zeit vor dem ersten Kind – und damitin der Regel mit einem Vollzeitgehalt.
Ein Beispiel: Eine Frau hat im Juli 2021 ihr erstes Kind bekommen und dar-aufhin Elterngeld bezogen. Knapp zwei Jahre später, im Mai 2023, soll ihr zweites Kind zur Welt kommen. Angenommen, ihr Mutterschutz beginnt im März, so ist für ihr Elterngeld der Zeitraum zwischen März 2022 und März2023 entscheidend. Wenn sie beispielsweise zwischen März und Juli 2022noch Elterngeld bezogen hatte, kann sie diese fünf Monate aus der Berechnung ausschließen. „Je geringer der Abstand zwischen erstem und zweitem Kind ist, desto mehr Monate können Eltern ausklammern“, sagt Elterngeld-Beraterin Kämmerer.
Wer sich mehr Zeit lassen möchte und nach der ersten Elternzeit zunächst in Teilzeit arbeitet, kann vor oder zu Beginn der zweiten Schwangerschaft die Stundenzahl im Job aufstocken. Dadurch erhöht sich das Einkommen im Bemessungszeitraum und entsprechend auch das Elterngeld.
Für Selbständige gelten andere Regeln als für Angestellte. Wenn sie ein zweites Kind bekommen und im Vorjahr teilweise noch Elterngeld für ihr erstes Kind bezogen haben, so können sie ein ganzes Jahr ausklammern. Sprich: Wäre die Mutter aus obigem Beispiel selbständig, so gälte für sie als Bemessungszeitraum für das zweite Kind, das 2023 geboren wäre, das Jahr2022. Da sie in diesem Jahr allerdings zeitweise Elterngeld für ihr Erstgeborenes bezogen hat – genau wie 2021 auch – kann sie diese Jahre ausklammern und als Bemessungszeitraum das Jahr 2020 wählen. Und damit das Jahr, das auch für die Berechnung ihres ersten Elterngelds zugrunde lag.
Der Trick für Angestellte besteht nun darin, sich zwischen dem ersten und dem zweiten Kind selbständig zu machen. „Dafür reicht ein Mini-Gewerbezusätzlich zum Angestelltenjob“, sagt Kämmerer. Manche Mütter richteten Tupperpartys aus, andere verkauften Selbstgenähtes übers Internet odermachten die Buchhaltung für Dritte. Sobald man auch nur geringe Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit vorweisen kann, lassen sich wie bei Selb-ständigen auch ganze Jahre ausklammern. In der Folge kommt mehr Elterngeld herum.
Ist das zweite (oder dritte) Kind dann unterwegs, erhalten die bald mehrfachen Eltern möglicherweise auch mehr Elterngeld. So gilt unter anderem: Lebt im Haushalt noch ein weiteres Kind, das noch keine drei Jahre alt ist, steigt der ausgezahlte Betrag bis zum dritten Geburtstag des Geschwister-kindes um zehn Prozent beziehungswiese um mindestens 75 Euro. „Dafür müssen Eltern nichts tun außer im Antrag angeben, dass es ein oder meh-rere Geschwisterkinder gibt“, sagt Verena Dias.